Die Baustoffindustrie hat den Frühling in diesem Jahr stärker denn je herbeigesehnt.
Der lange Winter auf der Nordhalbkugel schlug bei den führenden Produzenten von Zement, Beton oder Asphalt - HeidelbergCement und dem Schweizer Rivalen Holcim - stark ins Kontor. Die Umsätze in der Branche schrumpften nach den am Mittwoch vorgelegten Zahlen wie üblich im ersten Quartal. Die Arbeit auf den Baustellen ruhte in diesem Jahr aber nicht nur wegen der Kälte bis April länger als sonst, sondern auch wegen des frühen Osterfestes. Frost in Europa ist aber das geringere Problem, viel stärker macht der Industrie die Rezession in vielen Ländern zu schaffen. Auf das schlechte Wetter und die schwache Konjunktur haben die Baustoffkonzerne schon längst eine Antwort gefunden: Sie investieren in wärmeren, aufstrebenden Länder in Asien und Afrika.
Der Umsatz der Heidelberger ging von Januar bis März um 1,4 Prozent auf 2,76 Milliarden Euro zurück, wie der Dax-Konzern am Mittwoch mitteilte. Holcim nahm mit dem Verkauf von Zement und Baustoffen mit 4,3 Milliarden Franken sogar gut sieben Prozent weniger ein als vor Jahresfrist. Die Schweizer konnten den Gewinn aber um 160 Prozent auf 295 Millionen Franken steigern. Dahinter steckte bei Holcim unter anderem, dass HeidelbergCement von den Schweizern in Australien 25 Prozent an einer Zementmühle übernommen hatte. Beide Konzerne halten nun die Hälfte. Die Übernahme spülte Holcim 146 Millionen Franken in die Kasse. Dagegen rutschten die Badener tiefer in die roten Zahlen. Der Verlust vor Steuern erhöhte sich um gut zehn Prozent auf 162 Millionen Euro. Die Heidelberger kostete das Begleichen einer Kartellstrafe, gegen die sie erfolglos geklagt hatten, 32 Millionen Euro.
INVESTOREN GREIFEN ZU
Die Aktienkurse der beiden Konzerne legten dennoch um gut 1,5 Prozent zu, denn die Analysten hatten den Saisoneffekt erwartet und honorierten positive Ausblicke in Heidelberg und Zürich auf das Gesamtjahr. Die Schweizer erwarten steigende Zementverkäufe vor allem im größten Markt Asien sowie in Nord- und Lateinamerika. HeidelCement-Chef Bernd Scheifele bekräftigte auf der Hauptversammlung in Heidelberg sein Versprechen, den Vorsteuergewinn 2013 "spürbar" zu steigern. Die Aktien des irischen Baustoffproduzenten CRH verbilligten sich um mehr als drei Prozent - das Unternehmen hatte sein Gewinnziel wegen des witterungsbedingten Einbruchs für das erste Halbjahr auf 400 von 480 Millionen Euro zurückgeschraubt.
Eine eisige Bilanz legte auch der weltgrößte Ziegelhersteller Wienerberger vor. Der operative Gewinn schrumpfte im ersten Quartal auf 2,1 Millionen Euro. Konzern-Chef Heimo Scheuch sieht trotzdem "keinen Grund, die Prognose von einem Ebitda von 280 Millionen Euro" zu kippen. Die Aufholjagd werde allerdings eine Herausforderung, sagte er in Wien. Auch dem Zement-Weltmarktführer Lafarge hatte der lange Winter im ersten Quartal einen Gewinneinbruch um 26 Prozent auf 380 Millionen Euro (Ebitda) eingebrockt.
EUROPA PROBLEMZONE DER WELTWIRTSCHAFT
Stärker als unter dem Winter leiden die Baustoffproduzenten aber unter der Rezession in Europa. Sie stemmen sich mit Preissteigerungen, Kostensenkungsprogrammen und Investitionen in die Wachstumsregionen der Welt dagegen. Hoffnung schöpfen sie auch wegen des Aufschwungs in den USA, die den Einbruch nach der Finanzkrise schneller überwinden als die Europäer. "Die Problemzone in der Weltwirtschaft ist Europa mit Ausnahme Deutschlands", sagte Scheifele. Das Ergebnis in Europa brach bei HeidelbergCement 2012 um 48 Prozent ein, während es in den aufstrebenden Volkswirtschaften um 69 Prozent stieg. So hatte der seit 140 Jahren bestehende Traditionskonzern in Afrika im vergangenen Jahr mehr verdient als in Großbritannien und den Benelux-Staaten zusammen. Die Konsequenz: "Der Geschäftsschwerpunkt des Unternehmens verlagert sich nach Asien und Afrika."
Dort investiert der Dax-Konzern in neue Zementmühlen und stellt Mitarbeiter ein, während in Europa Arbeitsplätze abgebaut werden und das gleiche Produktionsvolumen mit weniger Personal erreicht werden muss. Das Bevölkerungswachstum, die Verstädterung und das damit wachsende Einkommen der Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika erhöhten die Nachfrage nach Zement, Sand und Beton, hofft Scheifele. Denn die Menschen brauchen ein besseres Dach über dem Kopf, die Infrastruktur werde ausgebaut. Die Heidelberger wollen deshalb ihre Zementkapazitäten in den Schwellenländern binnen zehn Jahren verdoppeln. Drei Viertel der Investitionsausgaben sollen in Wachstumsmärkte fließen.